So gehen Allgäuer Schulen gegen Mobbing vor
Auch an den Schulen in Leutkirch komme es vereinzelt zu Mobbing-Fällen (Symbolbild).
Geht es um das Thema Mobbing an Schulen, denkt man hierzulande schnell an Brennpunktschulen in Großstädten, wo zuletzt in Berlin der Tod einer Grundschülerin für Betroffenheit sorgte. Dabei gibt es laut den befragten Leutkircher Schulleitern Mobbing – wenn auch in deutlich geringerem Umfang – auch an den Schulen vor Ort. Beim Kampf dagegen setzen diese vor allem auf Prävention.
„Mobbing gibt es an jeder Schule – so wie überall, wo Menschen zusammentreffen“, erklärt Manfred Trieloff, Rektor der Otl-Aicher-Realschule. Wobei es durchaus hilfreich sei, dass die „Allgäuer Sozialisation“ vermutlich eine andere sei als in Großstädten. Um möglichst frühzeitig anzusetzen, verfolge seine Schule ein breites Präventionskonzept. Dazu arbeite man unter anderem auch mit externen Fachkräften, etwa von Polizei und Caritas, zusammen. Außerdem gibt es an der Realschule eine Sozialarbeiterin, die für die Probleme der Schüler da ist. Ganz wichtig ist es auch, bei aufkommenden Konflikten eng mit den beteiligten Eltern zusammenzuarbeiten, sagt Trieloff. „Das klappt ganz gut. Mit den meisten Eltern kann man konstruktiv zusammenarbeiten“, so der Rektor. Er betont, wie wichtig es ist, jeden einzelnen Fall differenziert zu betrachten und mit beiden Parteien zu sprechen. Und sagt: „Nicht alles, was heute als Mobbing bezeichnet wird, ist Mobbing.“
Schule muss Erziehungsaufgaben übernehmen
„Mobbing ist intensiv und geht über eine lange Zeit“, erklärt sein Kollege Bernd Schosser, Rektor der Grund- und Werkrealschule Wuchzenhofen und Geschäftsführender Leutkircher Schulleiter. Die Konflikte, zu denen es im Schulalltag komme, seien davon meist weit entfernt. Wobei es durchaus „einzelne Fälle“ gebe, auch eine Landschule sei keine „heile Welt“. Generell versucht man laut Schosser, aufkommende Konflikte unter den Schülern zu lösen, bevor daraus Mobbing entsteht. Wie das geht, würden aber immer mehr Kinder oft erst hier lernen. Wie Schosser erklärt, muss die Schule immer öfter Erziehungsaufgaben übernehmen. Einen Bereich, in dem es für ihn und seine Kollegen beim Thema Mobbing generell schwer sei, einen umfassenden Einblick zu bekommen, sei der virtuelle.
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Auch an der Gemeinschaftsschule Leutkirch hat man das Thema Mobbing laut Schulleiter Jan Henning Gesierich-Kowalski auf dem Schirm, sieht sich prinzipiell aber gut aufgestellt: „Wir haben ein großes Team, das eine wertvolle Präventionsarbeit leistet“, so Gesierich-Kowalski. Zu diesem Team gehören unter anderem zwei Schulsozialarbeiterinnen, eine Anerkennungspraktikantin, die das Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung zur Erzieherin absolviert, sowie mehrere Tagespraktikantinnen der Geschwister-Scholl-Schule. „Eine glückliche Situation“ sei das. Zu den fest installierten Präventionsmaßnahmen gehört zum Beispiel der Klassenrat, der laut Gesierich-Kowalski bereits in der Grundschule eingeführt wird. Einmal pro Woche befasst sich die gesamte Klasse dort mit den verschiedensten Angelegenheiten, zu denen auch Konflikte unter den Schülern gehören. Geleitet wird das Gespräch, unter Aufsicht der Lehrer, von den Schülern selbst. Außerdem gebe es in jeder Klasse Streitschlichter, die in Zusammenarbeit mit anderen Schulen ausgebildet werden. „Streitigkeiten unter den Schülern können oft schon von diesen Streitschlichtern gelöst werden“, erklärt der Schulleiter.
Sozialarbeiterin: „Prävention alleine reicht nicht“
Sollten aufkommende Probleme nicht innerhalb der Klasse gelöst werden können, gibt es an der Gemeinschaftsschule noch das sogenannte Konflikt-Helfer-Team, das aus Eltern, Lehrern und Schülern besteht. Kommt es zu einem größeren Konfliktfall, gibt es eine „Tat-Folge-Konferenz“, erklärt Ilona Fuchs, Sozialarbeiterin an der Schule. Um das Mobbing nachhaltig zu stoppen, werde dabei bewusst die gesamte Klasse mit eingebunden. „Nur die Klasse hat die Macht, Mobbing zu stoppen. Wir Erwachsene nicht“, sagt Fuchs. Entscheidend sei, dass man die mitlachende oder schweigende Mehrheit überzeugt. Die habe die Macht, die zwei, drei Haupttäter zu stoppen. Solche Konzepte, die greifen, wenn Mobbing vorkommt, seien sehr wichtig: „Prävention alleine reicht nicht.“ Auch Fuchs erklärt, dass Konflikte zum Schulalltag genauso dazugehören wie zum ganzen Leben. Wichtig sei, zu lernen, wie diese gelöst werden. Dass ein Schüler über einen „normalen“ Konflikt hinaus gezielt gemobbt wurde, kam laut Gesierich-Kowalski in den letzten Jahren zweimal vor. Mit Blick auf die rund 540 Schüler an der Gesamtschule ist der Schulleiter mit der Situation „mehr als zufrieden.“
Schulsozialarbeit gibt es bereits seit 1999
Die erste 100-Prozent-Stelle für eine Schulsozialarbeit in Leutkirch wurde laut Margot Maier von der Stadtverwaltung bereits 1996 in der heutigen Gemeinschaftsschule eingerichtet. „Wir waren damals eine der ersten Städte, die das hatten“, erzählt Maier. In der Startphase hätten sich deshalb auch andere Städte in Leutkirch angeschaut, wie die Schulsozialarbeit umgesetzt wird. Diese hat vor allem das soziale Umfeld der Schüler im Blick, erklärt Maier. Für den Grundschulbereich gibt es an der Gemeinschaftsschule seit 2009 eine zusätzliche 50-Prozent-Stelle in der Schulsozialarbeit. Weitere Stellen gibt es außerdem an der Grundschule Oberer Graben (66-Prozent, seit 2001), an der Otl-Aicher-Realschule (50-Prozent, seit 2012) und am Hans-Multscher-Gymnasium (50 Prozent, seit 2014). Für die Grund- und Werkrealschule in Wuchzenhofen wurde für das kommende Schuljahr erstmals ebenfalls eine 50-Prozent-Stelle genehmigt. „Die Schulsozialarbeit hat sich sehr gut etabliert und ist inzwischen nicht mehr wegzudenken“, so Maier.
Quelle: www.schwaebische.de